IHRE GESUNDHEITSDATEN UND DIE ÄRZTLICHE SCHWEIGEPFLICHT SIND IN GEFAHR, UND DAMIT EINES IHRER WICHTIGSTEN GRUNDRECHTE!
In 3 Jahren Freiwilligkeit ist es den Krankenkassen und dem BMG bisher nicht gelungen, dass >1% der gesetzlich Krankenversicherten die ePA nutzen. Nun will der Staat unter Druck verschiedener Interessen wie Krankenkassen, Wirtschaft, Forschung und medizinischen Interessensverbänden eine Etablisierung der Akte erzwingen trotz starker Vorbehalte bzgl. technischer Ausgereiftheit und Sicherheit!
Ab dem 15.01.2025 soll die neue „ePA für Alle“ (ePA 3.0) jedem Patienten einer gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland automatisch, das heißt ohne Ihre aktive Zustimmung zur Verfügung stehen. Der beschlossene Weg einer „Opt-out-Regelung“ (Gegenteil von opt-in, bei der ich aktiv zustimme) bedarf des aktiven Widerspruchs eines gut informierten Patienten, sollte er die Sammlung und Verarbeitung der Daten ablehnen. Was nach einer schönen digitalen Erleichterung aussieht, stellt bei genauerem Hinsehen eine schrittweise Gefährdung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar, das heißt Informationen rund um Ihre Gesundheit unter eigenverantwortlicher Kontrolle zu haben. Ziel dieser Akte ist aus meiner Sicht primär die Nutzbarkeit der Daten für öffentliche, wissenschaftliche und wirtschaftliche Zwecke, das sehen auch die meisten kritischen Datenschützer und sachkundige EDV-Spezialisten so. Darüber hinaus soll Sie natürlich auch der zentralen Sammlung Ihrer Befunde, und damit Ihrem persönlichen Nutzen dienen.
Damit dieser Zugriff durch viele verschiedene Institutionen möglich sein kann, wurden die Sicherheitsstandards gegenüber den bisher verfügbaren freiwilligen Versionen von ePAs, welche von einigen Kassen seit 2021 angeboten wurden, technisch herabgestuft. Über die Nationale Nutzung hinaus wird es voraussichtlich ab Sommer 2025 möglich sein, Datensätze im Rahmen des Europäischen Datenraums Gesundheit (EHDS) durch Dritte europaweit abzufragen. Über die Tragweite der Nutzbarkeit durch für Sie unbekannte Dritte haben die wenigsten Patienten eine Vorstellung oder ausreichende Informationen bekommen, weder von Politik noch von den Krankenkassen. Ich bedauere dies sehr, weil erneut eine gute Möglichkeit, technisch ausgereifte und vor allem sichere Lösungen zur digitalen Sammlung und Vernetzung individueller Gesundheitsdaten vertan wurde und darüber hinaus wiederholt Vertrauen in politisch vernünftige Entscheidungen verspielt wird. Mit dieser digitalen und personalisierten Akte, welche Datenmengen ein Leben lang speichert, auf deren Sicherheit der Patient perspektivisch wenig bis keinen Einfluss haben wird und die auch im Nachhinein nicht mehr gewechselt oder geleert werden kann, wird die ärztliche Schweigepflicht und das Arzt-Patientenverhältnis in großem Umfang potentiell gefährdet. Die Nutz- und Abrufbarkeit durch Dritte sowie der aktuelle technische Standard wird allen zukünftigen technischen Entwicklungen ausgesetzt sein (und damit auch der Verletzlichkeit durch Leaks, etc…). Über die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen und technischen Vorraussetzungen für eine effektive Kontrollbehörde, welche die Zugriffsrechte steuert, herrscht bis heute (zwei Monate vor Einführung!!!) weder für Gesetzgebende noch für uns Behandler Transparenz oder ein klarer Plan. Ein solch epochaler Eingriff in die Datenautonomie eines jeden Patienten erfolgt erneut im Versuchslabor-Modus.
Natürlich trifft es in unserem dualen System der Gesundheitsversicherung erst mal nur die gesetzlich Krankenversicherten. Die Patienten privater Kassen sind von dieser Pflicht ausgenommen, private Kassen werden aktuell lediglich „angehalten“, auch technische Lösungen zur zentralen Datenerhebung ihren Patienten freiwillig zur Verfügung zu stellen.
Und natürlich werden diese Akten zunächst nur mit Hilfe von Apps per Smartphone durch den Patienten kontrollierbar sein. Ein Mensch, der technisch nicht über entsprechende Mittel oder Verständnis verfügt oder eine Nutzung von Apps aus welchen Gründen auch immer ablehnt, kann damit kaum Einfluss auf die Gestaltung und Transparenz seiner ePA nehmen, was in unseren Augen einer Ausgrenzung von Patientengruppen bzw. der Beschränkung ihrer Rechte entspricht.
Wie die technische Umsetzung und die Befüllung der ePA zeitlich und inhaltlich in der Praxis erfolgen soll, darüber werden die Praxen wie gewohnt kaum informiert, was in Anbetracht zeitlicher Engpässe und sonstigen bürokratischen Aufwands ein schwer kalkulierbares Risiko für die eigentliche Patienten-Versorgung bedeutet.
Nach meiner jetzigen Einschätzung empfehle Ihnen daher dringlich, sich über die Perspektiven, Risiken und Chancen einer ePA genau zu informieren. Sollten Sie Zweifel haben, nutzen Sie die Möglichkeit zum Widerspruch bei Ihrer Krankenkasse bzw. über den unten genannten Link „widerspruch-epa.de“, in dem ein Anschreiben generiert werden kann, welches Sie dann an die Kassen postalisch verschicken müssen. Das Recht auf einen späteren Start der ePA geht Ihnen damit nicht verloren.
Wenn Sie nähere Informationen wünschen, befragen Sie explizit ihre Krankenkassen bzw. Informieren Sie sich im Netz, z.B. unter:
www.widerspruch-epa.de
www.gesundheitsdaten-in-gefahr.de
www.attac-netzwerk.de/ag-soziale-sicherungssysteme/startseite
www.patientenrechte-datenschutz.de/
offizielle Seite des BMG:
www.bundesgesundheitsministerium.de/epa-vorteile/
offizielle Seite der Entwickler:
www.gematik.de/anwendungen/epa/epa-fuer-alle